KUNSTWERK UND RELIGIÖSES ZENTRUM
Die kunst – und kulturhistorische Literatur über das Schloss Schönbrunn ist naturgemäß sehr umfangreich. Darin finden sich vielfach verstreut auch zahlreiche Erläuterungen zur Baugeschichte und Hinweise auf die Ausstattung der Kapelle im Osttrakt des Schlosses. Soweit es sich um ältere Werke und populärwissen-schaftliche Informationen handelt, werden da und dort auch einige Traditionen mitgeschleppt. Eine Monographie über die Schönbrunner Schlosskapelle existiert bisher nicht, zumindest ist eine solche nicht greifbar. Demgegenüber erlauben es aber einige Arbeiten jüngeren Datums, aus ihnen einen kurzen Leitfaden zur Betrachtung der Kapelle zu kompilieren. Der vorliegende Versuch stützt sich auf die im Literaturverzeichnis angegebenen Werke.
BAUGESCHICHTE
BAUGESCHICHTE
Letzte Erkenntnisse über die Baugeschichte sind in erster Linie den verdienstvollen Forschungen von Oskar Raschauer zu danken. Von den technischen Baubefunden ausgehend, gelangt Raschauer in seiner denkmalkundigen Darstellung der Schönbrunner Baugeschichte (Lit. Verz. Nr. 1) zur Feststellung, „dass wir heute die Schlosskapelle noch in der ursprünglichen, Fischerschen architektonischen Gestalt vor uns haben“. Der bauliche Zustand liefert eindeutige Beweise dafür. Demnach entspricht die Lage der Kapelle als eigener Baukörper zwischen dem äußeren und dem Zwischenrisalit jenem zweiten, in den Jahren 1690-1693 vereinfachten Schönbrunner-Plan von Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-1723), der ab 1696 verwirklicht wurde. Ursprünglich erhalten sind auch die architektonische Gliederung und deren Hauptelemente im Inneren der Kapelle: Die Pilaster mit Marmorsockeln und Kompositkapitälen, die Gebälkzone mit Gesims, die Deckenwölbung mit Gurten und die Feldereinteilung der Decke, die nischenartigen Fenstereinschnitte, der gewölbte Abschluss der Ostwand und die gerade Westseite. Eine spätere Höherführung des Innenraumes der Kapelle oder eine Umgestaltung der Gewölbeeindeckung fand demnach nicht statt. – Bemerkenswert ist, dass außer der Schlosskapelle nur mehr zwei kleine Räume im Bereich der Blauen Stiege (Westtrakt) dem Fischerplan entsprechen. Die unter Maria Theresia (1717/1740-1780) von Nikolaus Paccassi (1716-1790) ab 1743 durchgeführten Umbauten des Schlosses waren zwar sehr tief greifend, die Baugestalt der Kapelle blieb aber davon unberührt. Die Verlegung des Kapellentores von der Nord – an die Westseite, die Umgestaltung der Emporen und Oratorien („Tribünen“) und die Wandverkleidung mit Kunstmarmor stellen keine wesentlichen Eingriffe in die Gestalt des Innenraumes dar. Ein großzügiger Ausbau der Kapellenstiege als repräsentativer Zugang zu den Herrschaftsräumen und zum Zwischengeschoss Paccassis – wodurch eine Erhöhung der Decke des Kapellenstiegen-hauses erforderlich wurde – zog allerdings auch eine Erhöhung der Außenwände der Schlosskapelle über die Fischersche Einwölbung nach sich. Am 29. April 1745 wurde die vielfach neu ausgestattete Kapelle neu geweiht. Die Weihe nahm Kardinal Sigismund Graf Kolonitsch (1676 -1751; ab 1716 Fürstbischof, seit 1722 Fürsterzbischof von Wien) vor.
Nach der Neuausstattung der Kapelle mit der Wiederweihe am 29. April 1745 wurde das Patrozinium der Schlosskapelle Schönbrunn auf Anordnung von Kaiserin Maria Theresia von Maria Magdalena auf Mariä Vermählung geändert. Das alte römische Missale enthält zum 23. Jänner eine Eigenmesse (Proprium) zum Gedächtnis der Vermählung Mariens „in aliquibus locis celebrandae“. Spätestens mit der Wiederweihe der Kapelle 1745 trat an die Stelle des Patronates der Hl. Maria Magdalena die Widmung der Kapelle dem Andenken der Vermählung Mariens. Glückliche Umstände haben uns die Weiheurkunde im Original erhalten. Sie wird in der Sakristei sorgfältig behütet.
GLOCKE
GLOCKE
Die 38kg schwere Kapellenglocke von damals ist durch einen Gipsabguss der Glockeninschrift in der Sakristei belegt. In einer kartuschenartigen Umrahmung lautet das Signum: „Joseph Pfrenger in Wienn hat mich gossen“. Pfrenger war von 1740 bis 1768 in Wien als Glockengießer nachweislich tätig. Die kleine Glocke fiel am 29.12.1941 der Kriegsmetallsammlung zum Opfer.
Auch die nachfolgende Glocke, die auch heutzutage in Betrieb ist, hat folgende Inschrift: Johann Dival goss mich 1715 in Wien. Die Glocke wiegt 49,8kg und hat einen Durchmesser von 42cm. Ton: b´´.
DECKENFRESKO
DECKENFRESKO
Das Deckenfresko aus dem Jahre 1744 von Daniel Gran (1694-1757) erinnert an das ehemalige Patrozinium. Maria Magdalena blickt in andächtiger Haltung zu den Personifikationen der drei göttlichen Tugenden – GLAUBE HOFFNUNG LIEBE – auf.
Unverkennbar trägt die Allegorie mit dem Herz als Symbol der Liebe (caritas) in der rechten Hand, die Züge der Auftraggeberin, der jungen Maria Theresia. In das zweite Feld der Decke malte Gran in seinen hauchzarten Farben musizierende Engel.
AUSSTATTUNG
AUSSTATTUNG
Die Ausstattung der Schlosskapelle ist uns schon aus einem Inventar vom Jahre 1728 überliefert. Danach war die Kapelle „seit ihrer Fertigstellung“, das heißt schon zur Zeit Josephs 1. (1678/1705-1711) – als dessen Residenz ja Schönbrunn von Leopold 1. (1640/1658-1705) zunächst geplant war –, für die Abhaltung von Gottesdiensten eingerichtet. Joseph 1. hat sich schon seit 1700, also bereits vor seiner Kaiserwahl (1705) oft in Schönbrunn aufgehalten. Sicher brachte er dem Schlossbau auch sein persönliches Interesse entgegen, hatte er selbst doch Fischer von Erlachs Unterricht in Architektur genossen. Dem erwähnten Inventar zufolge war die Schlosskapelle für die Feier der Hl. Messe und für den Seelsorgedienst vollständig eingerichtet. Das Inventar verzeichnet: Drei Altarbilder (Hochaltar und zwei Seitenaltäre) und vier kleine Bilder; mit Ausnahme des Hochaltarbildes leider ohne Themenangabe; ein braun gefasster und vergoldeter „Tabernacul, eine Canzel und vier Stühl und Stafel für die Hl. Hl. Geistlichen, zum hohen Ambt sechs Kirchenstühl und vier für die Musicanten…“ auch Ornate und Beichtstühle. Möglicherweise wurden dann schon unter Kaiser Karl VI. (1685/1711-1740) Veränderungen der Ausstattung vorgenommen. Die Frage, ob und inwieweit Karl VI. nach der Übernahme des Schlosses von seiner Schwägerin, der Witwe Josephs I., Wilhelmine Amalia (1673-1742), deren Witwensitz es bis 1722 war, die Kapelle neu einrichten ließ, bleibt offen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit kommt nach einer unbestimmten Quelle lt. älterer Literatur in erster Linie ein Wechsel des Hochaltarbildes (Hl. Magdalena/Mariä Vermählung) in Betracht. Raschauer konnte diese Hypothese jedenfalls nicht ausschließen. Dagegen spricht, dass der Patroziniumswechsel von Maria Theresia angeordnet wurde. Der ehemalige Schlosshauptmann von Schönbrunn, Josef Glaser datiert daher in seiner „Schönbrunner Chronik“ (Lt. Verz. Nr. 2) den Austausch des Hochaltarbildes in die Zeit der Mariatheresianischen Kapellenerneuerung 1743/1745.
HOCHALTAR
HOCHALTAR
Der Hochaltar war, dem alten Patrozinium entsprechend, der Hl. Maria Magdalena gewidmet. Wie heute, war der Altarraum von einem großen Altarbild beherrscht. Es wurde schon im Inventar von 1728 verzeichnet (Lit. Verz. Nr. 2) und ist lt. Dehio (Lit. Verz. Nr. 6) ein um 1707 geschaffenes Werk von Johann Michael Rottmayr (1652-1730); der Künstler war seit 1696 kaiserlicher Hofmaler. Das Altarbild zeigt eine Vision der Hl. Magdalena. Nach dem zeitlich nicht sicher feststellbaren Wechsel des Hochaltarbildes gelangte das Rottmayr-Werk in die ehemalige Hofpfarrkirche St. Augustin. Dort ist es uns bis heute am vordersten Seitenaltar rechts, links neben dem Zugang zur Georgskapelle und Herzgruft der Habsburger, erhalten. Zum damals ausgetauschten, heutigen Hochaltarbild Mariä Vermählung waren 1963 im Stift Altenburg zwei Kompositionsentwürfe mit Feder, Kreide und Tinte für das Hochaltarbild der Schlosskapelle zu Schönbrunn von Paul Troger (1698-1762) zu sehen (Lit. Verz. Nr. 4 Katalognr. 155, 156), einer davon ist mit „Troger del“ signiert. O. Benesch und K. Garzarolli datieren die beiden Blätter um 1773. Damit würde also der Zeitpunkt des Altarblattwechsels kaum vor 1733 anzusetzen sein: umso wahrscheinlicher fällt aber der Austausch erst in die Zeit der Neuausstattung der Kapelle (Wiederweihe 1745). Jedenfalls bleibt dafür nur mehr ein fraglicher Zeitraum von rund einem Jahrzehnt.
Das Altarbild von Troger erhält seinen besonderen Reiz einerseits von den auffallend überschlanken Gestalten, mehr aber noch von den Licht – und Schattenwirkungen, welche von der unsichtbaren, links außerhalb der Rahmung zu denkenden Lichtquelle ausgehen: hervorragend wirkt sich dies an der illusionistischen Räumlichkeit der Stufen zum bühnenartigen Standort des Geschehens aus.
Der Marmoraltar selbst und seine Plastiken gehören dem kreis um Georg Raphael Donner (1793-1741) an. Lt. Dehio (Lit. Verz. Nr. 6) stammt das Relief an der Tabernakeltür – ein Vesperbild (Pieta) – von Donner selbst. Für die vermutliche Richtigkeit dieser Überlieferung spricht die Tatsache, dass einer seiner Schüler und Gehilfen Franz Kohl (1711 – nach 1759) schon im Sterbejahr Donners (1741) den Hochaltar der Schlosskapelle schuf (Lit. Verz. Nr. 3). Auch der Wandaufbau zum Altar wird Kohl zugeschrieben. Er stammte aus Böhmen und heiratete 1744 – während der Neueinrichtung der Schlosskapelle – die Witwe seines Meisters Donner. Aus seiner Werkstatt verdient besonders die Plastik auf dem Portalverbau der Wiener Peterskirche Erwähnung.
SKULPTUREN AN DEN SEITENWÄNDEN
SKULPTUREN AN DEN SEITENWÄNDEN
Von Kohl stammen auch die Skulpturen an den Seitenwänden. Für die beiden vergoldeten Bleifiguren wurden 1743/44 25 Zentner Blei bewilligt (Lit. Verz. Nr. 2). Sie stehen in Wandnischen: links die Mater Dolorosa, die schmerzhafte Mutter Gottes mit dem Schwert in der Brust; rechts Johannes der Täufer mit Lamm und Kreuzstab. (Karl Ginhart, Lit. Verz. Nr. 3 und 6, schließt nicht aus, dass die beiden Skulpturen von einem anderen Donnerschüler – Christoph Schönlaub – Hauptwerke in der Wallfahrtskirche Hafnerberg – stammen.)
ZWEI SEITENALTÄRE
ZWEI SEITENALTÄRE
Die zwei Seitenaltäre lassen in logischem Zusammenhang mit Kohls Bleifiguren das vielfach auf Tradition begründete zyklische Denken der Barockzeit erkennen. Jahrhunderte hindurch war für die am Gottesdienst teilnehmenden Frauen allgemein die linke Seite des jeweiligen Kirchenraumes bestimmt (Beispiel: der Frauenchor im Stephansdom). Aus diesem Brauch ist auch der Themenkreis um das Leben der Gottesmutter an der (linken) Nordseite der Schlosskapelle herzuleiten.
Von der Figur der schmerzhaften Mutter ausgehend wird am benachbarten Seitenaltar der Blick in die Kindheit Mariens zurückgelenkt. Das Altarbild zeigt die Jungfrau zu Füßen der Hl. Mutter Anna, der Patronin der Frauen und aller weiblichen Berufe. Die volkstümliche, von vielen Künstlern in gleicher Weise dargestellten Szene bringt auch hier die mütterliche Unterweisung der jugendlichen Maria im Lesen aus dem Alten Testament und im Beten. Mit dem seitlich stehenden Vater Joachim erinnert die Komposition an die weit verbreiteten Darstellungen der Hl. Familie. – Joachim und Anna, die Eltern der Gottesmutter sind uns nur aus der Überlieferung der apokryphen Schriften bekannt; in den vier kanonischen Evangelien würde man sie vergebens suchen.
Wir haben aber damit eine der ehrwürdigen Traditionen vor uns, die wir in ihrer Poesie nicht missen wollen, zumal sie aus der Kunst – und zwar bis in die jüngste Vergangenheit – nicht wegzudenken sind.
Von der Figur der schmerzhaften Mutter ausgehend wird am benachbarten Seitenaltar der Blick in die Kindheit Mariens zurückgelenkt. Das Altarbild zeigt die Jungfrau zu Füßen der Hl. Mutter Anna, der Patronin der Frauen und aller weiblichen Berufe. Die volkstümliche, von vielen Künstlern in gleicher Weise dargestellten Szene bringt auch hier die mütterliche Unterweisung der jugendlichen Maria im Lesen aus dem Alten Testament und im Beten. Mit dem seitlich stehenden Vater Joachim erinnert die Komposition an die weit verbreiteten Darstellungen der Hl. Familie. – Joachim und Anna, die Eltern der Gottesmutter sind uns nur aus der Überlieferung der apokryphen Schriften bekannt; in den vier kanonischen Evangelien würde man sie vergebens suchen.
Wir haben aber damit eine der ehrwürdigen Traditionen vor uns, die wir in ihrer Poesie nicht missen wollen, zumal sie aus der Kunst – und zwar bis in die jüngste Vergangenheit – nicht wegzudenken sind.
Gegenüber, an der rechten (südlichen) Männerseite ergibt der dem Hl. Johannes Nepomuk gewidmete Seitenaltar zusammen mit der Plastik des Hl. Johannes des Täufers ein „johanneisches“ Programm, – Die Verehrung des Prager Generalvikars (Folterung und Moldausturz 1393) setzte lange Zeit vor seiner Heiligsprechung (1729) ein. Aus dem Jahre 1683 stammt die erste figurale Darstellung Nepomuks auf der Karlsbrücke in Prag.
Die nicht nur an Brücken, Ufern und Straßen, sondern auch an Grenzstreifen und inmitten der Landschaft – vorwiegend in den habsburgischen Ländern und in Bayern – stehenden Nepomukfiguren wurden oft schon vor 1729 gesetzt. Zur Ehre der Altäre gelangte Johannes Nepomuk naturgemäß erst nach seiner Kanonisierung durch Papst Benedikt XIII. Wie eine Flut ergießen sich nun in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Stiftungen von Altären, sowie Patrozinien von Kirchen und Kapellen über Mitteleuropa. Die Kapellen entlang des von 1704 – 1738 angelegten Linienwalles um die Wiener Vorstädte (Gürtel) sind beispielsweise durchwegs dem Prager Brückenheiligen geweiht. In diese Welle der Nepomuk-Verehrung fällt auch der rechte Seitenaltar der Schönbrunner Schlosskapelle. – Das Altarbild (Lit. Verz. Nr. 5, Katalognr. 97) „Johann von Nepomuk in der Glorie“ zeigt den von zwei Engeln umgebenen Heiligen und darunter ein Engelchen mit dem Schweigegestus (die Wahrung des Beichtgeheimnisses als Ursache des Martyriums ist legendär!). Die Anlehnung der Komposition an barocke Darstellungen der Himmelfahrt Mariens ist unverkennbar. Dazu ist auch anzumerken, dass der Sternenkranz Nepomuks nicht nur hier ikonographisch unmittelbar von den barocken Mariendarstellungen (Immakulata) abzuleiten ist. Im Zusammenhang damit steht wohl die Legende von den 5 (!) Sternen, die sich an der Stelle des Brückensturzes in der Moldau gezeigt haben sollen. In den künstlerischen Darstellungen werden – wie hier – mehr und mehr 7 Sterne (Tugenden) zur Geltung kommen.
Die nicht nur an Brücken, Ufern und Straßen, sondern auch an Grenzstreifen und inmitten der Landschaft – vorwiegend in den habsburgischen Ländern und in Bayern – stehenden Nepomukfiguren wurden oft schon vor 1729 gesetzt. Zur Ehre der Altäre gelangte Johannes Nepomuk naturgemäß erst nach seiner Kanonisierung durch Papst Benedikt XIII. Wie eine Flut ergießen sich nun in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Stiftungen von Altären, sowie Patrozinien von Kirchen und Kapellen über Mitteleuropa. Die Kapellen entlang des von 1704 – 1738 angelegten Linienwalles um die Wiener Vorstädte (Gürtel) sind beispielsweise durchwegs dem Prager Brückenheiligen geweiht. In diese Welle der Nepomuk-Verehrung fällt auch der rechte Seitenaltar der Schönbrunner Schlosskapelle. – Das Altarbild (Lit. Verz. Nr. 5, Katalognr. 97) „Johann von Nepomuk in der Glorie“ zeigt den von zwei Engeln umgebenen Heiligen und darunter ein Engelchen mit dem Schweigegestus (die Wahrung des Beichtgeheimnisses als Ursache des Martyriums ist legendär!). Die Anlehnung der Komposition an barocke Darstellungen der Himmelfahrt Mariens ist unverkennbar. Dazu ist auch anzumerken, dass der Sternenkranz Nepomuks nicht nur hier ikonographisch unmittelbar von den barocken Mariendarstellungen (Immakulata) abzuleiten ist. Im Zusammenhang damit steht wohl die Legende von den 5 (!) Sternen, die sich an der Stelle des Brückensturzes in der Moldau gezeigt haben sollen. In den künstlerischen Darstellungen werden – wie hier – mehr und mehr 7 Sterne (Tugenden) zur Geltung kommen.
An zahlreichen Nepomukaltären wurden, wie zum Beispiel am linken Pfeiler neben dem Volksaltar im Stephansdom, dem auf dem Gemälde dargestellten „neuen“ Johannes die biblischen Namensheiligen – Johannes der Täufer und Johannes Evangelist als flankierende Assistenzfiguren beigegeben. Diesem Konzept folgt offensichtlich – wenn auch nicht vollständig – auch die „johanneische“ Männerseite der Schönbrunner Schlosskapelle.
Die Altarblätter der beiden Seitenaltäre wurden in der älteren Literatur merkwürdigerweise dem Meister des Hochaltarbildes, nämlich auch Paul Troger zugeschrieben. Demgegenüber steht heute zweifelsfrei fest (Lit. Verz. Nr. 3, 5 und 6), dass sie beide der Venezianer Giovanni Battista Pittoni (1687 – 1767) gemalt hat. Sonderbarerweise wurden dessen Werke in vielen europäischen Museen bis etwa 1900 – wie hier – meist anderen Künstlern zugeschrieben. Mit der im Katalog zur Johannes Nepomuk-Ausstellung, Wien 1971 (Lit. Verz. Nr. 5, Katalognr. 97 und Abb. 86) angegebenen Datierung eines mit dem Gemälde völlig identischen Kupferstiches um „1729“ sowie den Erläuterungen dazu, geraten wir allerdings wieder, wie beim Hochaltar, in die zeitliche Problematik des Bilderwechsels. Demnach wäre das Bild des Nepomuk-Altares schon vor der Kaiserin-Witwe Wilhelmine Amalia zur Heiligsprechung Nepomuks in Auftrag gegeben worden. Die Auswechslung der Bilder könnte dann doch unter Karl VI. und rund zehn Jahre vor dem Regierungsantritt Maria Theresias erfolgt sein. – Vorläufer des jetzigen Gemäldes war lt. Raschauer (Lit. Verz. Nr. 1) ein Bild der Kreuzigung; der Seitenaltar an der Frauenseite zeigte seinerzeit eine Kreuzabnahme (nach Glaser – Lit. Verz. Nr. 2 – wäre es umgekehrt gewesen). Jedenfalls gehörten die beiden früheren Gemälde zu den im Inventar verzeichneten drei Bildern, wenn dort auch nicht die Themen angegeben sind. – Mancher Katholik von heute mag aus diesem Bildertausch sehen, wie sehr eine christozentrische Orientierung der Kirche zeitweise von Marien – und Heiligenverehrung überlagert war. In barocker Verspieltheit sitzen auf den schwungvollen Gesimsen der Altar-Umrahmungen sowie über den Figurennischen figurale Putten mit thematisch zugeordneten Attributen. Über der Bleifigur der Mater Dolorosa erinnern ein weinender Engel und der eine Zange haltende Putto an die den Schmerz Mariens verursachende Kreuzigung und die Kreuzabnahme Christi. Am Annenaltar weisen die Dornenkrone und die Geste des rechten Putto auf die alttestamentarische Prophetie des Leidensmannes Jesu. Dieses Dekorationsprogramm stellt also nur an der linken Seitenwand mit Zange und Dornenkrone aus der traditionellen Arma Christi einen unmittelbaren Bezug zum Leiden des Erlösers her. Über dem Täufer Johannes sind ein Schilf-Rohrkolben und eine Muschel, aus der silbernes Taufwasser „fließt“ zu sehen. Gegenüber sind dem Johannes Nepomuk Märtyrerpalme und Heilige Schrift beigegeben. An den die Seitenwände gliedernden Pilastern tragen die Messing-Kerzenleuchter unter den Metallrosetten der zwölf Weihekreuze die Initialen je eines Apostels.
Rechts unter der Musikempore ist seit Herbst 1973 ein zeitgenössischer Beitrag zur künstlerischen Ausstattung der Kapelle: Die neue Statue des Hl. Antonius von Padua aus St. Margarethener Leithakalkstein ist mit „A. Geiger, 1973“ signiert.
Eine vollständige Restaurierung der Wände, Decken, Fresken und Bilder erfolgte 1900 durch H. Rietschel. Von damals (1901) stammt auch der derzeitige Bodenbelag. Ursprünglich bildeten graue und rote Marmorplatten eine Farbharmonie mit den Pilastern. Im Zusammenhang mit der Aufstellung der neuen Orgel reduzierte man auch die vier Emporen auf die jetzigen zwei. Noch unter Maria Theresia war nämlich die erste „Tribüne“ um zwei weitere und später sogar um eine vierte Empore vermehrt worden. Die letzte umfassende Restaurierung nahm im Jahre 1956 L. Peyscha vor.
RELIGIÖSE BEDEUTUNG DER SCHLOSSKAPELLE
RELIGIÖSE BEDEUTUNG DER SCHLOSSKAPELLE
Auf Grund des ersten erhaltenen Inventars wird hier mit Sicherheit seit Kaiser Joseph I. – also seit Anfang des 18. Jahrhunderts – die Hl. Messe gelesen / gefeiert. Auch die musikalische Gestaltung der Gottesdienste ist uns schon damals verbürgt. Die Musiker hatten ihre „Stühl“ unter Joseph I. „unten in der Capellen“. Auf der „Tribüne“ hatten die Kammerdienerinnen ihre Plätze. Die Herrschaft hielt sich während der Gottesdienste meist im Kapellenschiff auf; nur ausnahmsweise benützte die kaiserliche Familie das Oratorium. Mit großer Feierlichkeit wurde vom Schlosspersonal ab 1707 alljährlich das alte Patrozinium gefeiert. Mit Fahnen und Musik zog eine Prozession am Magdalenentag (22. Juli) von der Kapelle nach Maria Hietzing und zurück durch den Tiergarten. 1714 beteiligte sich die Herrschaft am Umgang. Starke Anziehungskraft übte sicher das anschließende Mahl für die Teilnehmer am Titularfest aus. Joseph I. widmete für dieses Festessen jährlich 100 Gulden. Sogar am 19. Juli 1729 – 18 Jahre nach dem Tod des Kaisers – bewilligte die Hofkammer für dieses „festo Divae Magdalenae“ immerhin noch 60 Gulden.
Zur Zeit Maria Theresias erlebte die Seelsorge in Schönbrunn eine besondere Blüte. Für das Seelenheil der 1000 Personen des Hofstaates sorgten 11 geistliche Herren. Ausschlaggebend dafür war bestimmt die große Kinderzahl der Kaiserin und die damit verbundene Ausweitung der Hofhaltung. Aus dem selben Grund ließ die Kaiserin 1773 – gleichzeitig mit der Vermehrung der „Tribünen“ – auch die Oratorien und den Zugang zu ihnen von Ferdinand von Hohenberg (1732 – 1816) umgestalten. Über kirchliche Handlungen, die die Mitglieder des Kaiserhauses betrafen, liegen kaum verlässliche Quellen vor; sie müssten zumindest erst ermittelt und zusammengetragen werden. Sicher fanden zur Erinnerung an den Todestag Josephs I. jährlich Gedenkmessen statt. Die Trauung der Eltern Maria Theresias 1708 fand jedenfalls nicht in der Schlosskapelle, sondern in Maria Hietzing statt. Im Gegensatz dazu begnügte sich Joseph II. – charakteristisch für seine Gesinnung – am 23. Jänner 1765 zu seiner Eheschließung mit Maria Josepha von Bayern (1739 – 1767) mit dem bescheidenen Rahmen der Kapelle, der Stätte zahlreicher Vermählungen des Hofpersonals. Im Laufe ihres Bestandes hat die Schlosskapelle weit über den engeren Bereich von Schönbrunn hinaus mehr und mehr Anziehungskraft gewonnen. Aus den umliegenden Bezirksteilen hatte sich nach und nach um dieses Zentrum eine gläubige Gemeinde gebildet. Diese war so gefestigt, dass sie sich nach dem Zusammenbruch von 1918 der geplanten Profanierung der Kapelle mit Erfolg widersetzen konnte. Aus ihrer Mitte rekrutierte sich in letzter Minute der „Verein zur Erhaltung der Kapelle Mariä Vermählung“. Heutzutage ist die Schlosskapelle Schönbrunn Zentrum geistlichen Lebens. Ministranten und Musiker ermöglichen durch ihren großen Einsatz eine lebendige Gottesdienstgemeinde.
Benützte Literatur der von Carl Charbusky (+) zusammengestellten Historie (mit Ergänzungen von Rektoratassistent Michi Kobinia):
- Oskar Raschauer, Schönbrunn. Eine denkmalkundliche Darstellung seiner Baugeschichte, 1960
- Josef Glaser, Schönbrunner Chronik, 1969
- Karl Ginhart, Wiener Kunstgeschichte, 1948
- Ausstellungskatalog Paul Troger, Stift Altenburg 1963
- Ausstellungskatalog Johannes Nepomuk, Wien 1971
- Dehio-Handbuch. Wien. 3. Auflage 1954